David, Emily und der ganz normale Wahnsinn by Lutz Urban und Christian Marx

Autor:Lutz Urban und Christian Marx
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Allgemeine Buch
veröffentlicht: 2018-11-15T00:00:00+00:00

Die Überraschung

In den nächsten Tagen und Wochen arbeiten Klaus, Stefan und David in jeder freien Minute am Konzept. Und wie immer gibt es natürlich auch Meinungsverschiedenheiten. Doch David hat seinen Kollegen von seiner Session mit Leo erzählt und mit ihnen die Karte durchgesprochen, die Leo ihm beim letzten Mal gegeben hat. Sie haben sich sogar darauf geeinigt, die Karte bei jedem Meeting als Erinnerungshilfe für die einzelnen Punkte auf den Tisch zu legen. Dadurch hat sich die Gesprächskultur und somit die Effizienz der Treffen deutlich gesteigert. Unterschiedliche Meinungen werden nun eher als Chance und nicht mehr als Bedrohung gesehen und Konflikte können konstruktiver besprochen werden. Sie haben eine gute Arbeitsebene gefunden und kommen gut voran. Das ist wichtig, denn der Abgabetermin rückt immer näher.

David sitzt an seinem Schreibtisch und legt gerade den Hörer nach einem Telefonat mit einem Kunden auf. Da öffnet sich die Tür und Herr Hahn steht in seinem Büro. David ist komplett aus dem Konzept gebracht, er hatte seinen Chef erst in drei Tagen erwartet. „Herr Hahn, Sie sind schon wieder hier?“, ist das Einzige, was er spontan herausbringt.

„Ja, ich bin ein paar Tage früher zurückgekommen. Mein Freund musste überraschend zu einem Termin nach Washington. Mir hat es auch gereicht. Ein andermal in Ruhe mehr davon, das sind schon fantastische Eindrücke …“

Hahn blickt ein wenig verträumt aus dem Fenster, gibt sich dann aber einen Ruck.

„Genug geschwatzt, ich möchte, dass Sie mir heute Nachmittag den Stand des Nachhaltigkeitskonzepts vorstellen. Um 15 Uhr bei mir im Büro.“

Ohne weitere Worte zu verlieren verlässt Hahn Davids Arbeitszimmer.

„Manche Dinge scheinen sich nie zu ändern“, sind Davids erste Gedanken. „Er ist einfach ein ungehobelter Klotz.“

David gibt sein Bestes, um bis zum Nachmittag eine Präsentation für Herrn Hahn anzufertigen. Um kurz vor 15 Uhr sind die letzten Folien fertig und David speichert die Präsentation. Dann rollt er mit dem Stuhl etwas zurück und bringt sich in einen guten Zustand. Es gelingt ihm ganz gut, in die innere Führung zu kommen. Ihm ist klar, wie wichtig das jetzt ist, da er davon ausgeht, dass Hahn alles andere als wohlwollend und konstruktiv sein wird.

Mit einem leicht flauen Gefühl im Bauch steht David nun in Hahns Büro und präsentiert ihm den aktuellen Stand des Projekts. Je länger es dauert, desto unsicherer wird David. Hahns Gesicht zeigt keine Regung. David hat keine Ahnung, was in ihm vorgeht. Der Chef hört sich die ganze Präsentation bis zum Ende an, ohne ein Wort zu sagen. David ist einfach nur froh, als er am Ende angekommen ist.

Nach ein paar Sekunden der Stille steht Hahn abrupt auf, schaut David an und fängt an zu lachen. „Ist das Ihr Ernst? Haben Sie mir eigentlich zugehört? Ich will nicht die ganze Firma auf den Kopf stellen! Das Konzept können Sie in den Müll werfen! Bringen Sie mir ein vernünftiges Konzept, das wir einfach umsetzen können, verstanden?“

Ohne auf Davids Antwort zu warten, geht Oscar aus seinem Büro mit den Worten „ich muss meinen Jetlag ausschlafen“ und lässt David stehen.

Einmal mehr weiß David nicht, wie ihm geschieht.

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